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Polen im Wandel: Donald Tusk setzt auf proeuropäische Politik und Reformen

Polen erlebt unter der Leitung seines neuen Ministerpräsidenten Donald Tusk eine historische Zeitenwende. Nach acht Jahren der nationalkonservativen Regierung unter der PiS (Recht und Gerechtigkeit) nimmt das Land einen neuen, proeuropäischen Kurs. Diese grundlegende Veränderung wird in Tusks erster Regierungserklärung deutlich.

In seiner Rede vor dem Parlament in Warschau betont Tusk, dass Polen seinen Platz als führende Nation in der Europäischen Union zurückerlangen wird. Er legt großen Wert auf die Zusammenarbeit und Achtung gegenüber Europa und unterstreicht, dass Polen umso stärker und souveräner sein wird, je stärker und souveräner die europäische Gemeinschaft ist.

Tusk appelliert auch an die Nationalkonservativen, Verbündete aus der NATO und der EU nicht als Bedrohung für Polen zu betrachten. Dies steht im Gegensatz zu den Vorwürfen der PiS während des Wahlkampfs, die Deutschland und die von Berlin dominierte EU als akute Gefahr für Polen darstellten.

Ein wichtiger Konflikt zwischen Brüssel und Warschau könnte nun unter Tusks Führung gelöst werden. In der Vergangenheit lag die polnische Regierung im Clinch mit den EU-Institutionen aufgrund von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit. Dies führte dazu, dass die Europäische Union im letzten Jahr Milliarden an Finanzmitteln eingefroren hat. Doch Tusk betont im Parlament, dass er keine Änderungen der EU-Verträge akzeptieren wird, die den Interessen Polens zuwiderlaufen. Er versichert, dass er sich in Brüssel nicht über den Tisch ziehen lassen wird.

Die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit ist jedoch eine Voraussetzung dafür, dass die EU-Milliarden wieder fließen. Tusks neuer Justizminister, Adam Bodnar, wird eine Schlüsselrolle dabei spielen, die umstrittene Justizreform schnell und verfassungsgemäß zurückzunehmen. Darüber hinaus werden drei Untersuchungskommissionen die Skandale der vorherigen PiS-Regierung, einschließlich des Ausspionierens von Oppositionspolitikern, untersuchen.

Tusk wurde am Montagabend vom Abgeordnetenhaus zum neuen Regierungschef gewählt, und seine Mitte-Links-Koalition gewann klar die Vertrauensfrage nach dem Exposé und der Parlamentsdebatte. Trotzdem bleibt die PiS weiterhin die stärkste Kraft im Parlament, wobei sie 194 von 460 Sitzen belegt und somit die größte Fraktion stellt.

Die PiS hatte bei den Parlamentswahlen am 15. Oktober zwar die stärkste Partei gestellt, aber die absolute Mehrheit verloren. Obwohl die PiS keine Koalitionspartner fand, nutzte sie gemeinsam mit Präsident Andrzej Duda den verfassungsrechtlichen Rahmen, um den Machtübergang so lange wie möglich hinauszuzögern.

Die Niederlage des alten-neuen Premierministers Mateusz Morawiecki bei der Vertrauensfrage am Montag eröffnete die Möglichkeit für Tusks Dreier-Koalition, bestehend aus der liberalen Bürgerkoalition (KO), dem christlich-demokratischen Dritten Weg (TD) und der Neuen Linken.

Neben den außenpolitischen Herausforderungen steht Tusk auch vor der Aufgabe, Polen nach acht Jahren illiberaler Revolution wieder auf den liberalen Weg zu bringen. Dazu gehören geplante Reformen des ideologisierten Schulsystems sowie die Liberalisierung der Abtreibungsvorschriften.

Die Mitte-Links-Regierung wird in ihren Bemühungen von einer starken PiS-Opposition im Parlament behindert, die 194 Abgeordnete stellt. Es ist wahrscheinlich, dass antideutsche Töne in dieser Auseinandersetzung eine bedeutende Rolle spielen werden. Jarosław Kaczyński, der Vorsitzende der PiS, beschimpfte Tusk im Parlament als „deutschen Agenten“ und malte düstere Bilder von einem „Ende der Demokratie“.

Nach der Vereidigung seines Kabinetts durch Präsident Duda am Mittwochmorgen wird Tusk direkt zum EU-Westbalkan-Gipfel nach Brüssel reisen und auch ein Gespräch mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj führen. Tusk könnte somit sein Land einen großen Schritt näher an die Europäische Gemeinschaft heranführen. Polen befindet sich zweifellos in einer Phase des Wandels, und die Zukunft wird zeigen, ob Donald Tusk seine Vision eines proeuropäischen Polens erfolgreich umsetzen kann.