Schleichende Verödung der Innenstädte: Einzelhandel unter Druck
Deutschlands Stadtzentren stehen vor einer beispiellosen Herausforderung. Angesichts einer sich zuspitzenden Konjunkturflaute und anhaltend hoher Inflation kämpfen Einzelhändler ums Überleben. Der Handelsverband Deutschland (HDE) schlägt Alarm und prognostiziert für dieses Jahr ein dramatisches Ausmaß an Geschäftsaufgaben. Rund 5000 Läden könnten demnach ihre Türen für immer schließen. Dies wäre eine Fortsetzung des besorgniserregenden Trends, der seit 2020 insgesamt 46.000 Ladenschließungen mit sich bringen könnte.
Ursachen und Auswirkungen
Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Eine schwächelnde Konjunktur gepaart mit einer Inflationsrate, die die Kaufkraft der Verbraucher erodiert, setzt dem Einzelhandel zu. Obwohl die Branche im letzten Jahr einen nominalen Umsatzanstieg von 2,9 Prozent verzeichnen konnte, offenbart die inflationsbereinigte Betrachtung ein Minus von 3,4 Prozent. Die Hoffnung ruht nun auf einer leichten Erholung mit einem prognostizierten Umsatzwachstum von 3,5 Prozent im aktuellen Jahr, was real einem Plus von einem Prozent entspräche.
Stefan Genth, der Hauptgeschäftsführer des HDE, bringt die Tragweite der Situation auf den Punkt: „Das sind schlechte Nachrichten für den Einzelhandel, aber vor allem für die Stadtzentren.“ Die Attraktivität der Innenstädte leidet, da der Handel oft als Hauptmagnet für Besucher fungiert. Mit jedem geschlossenen Geschäft schwindet ein Stück Lebendigkeit und Anziehungskraft der Stadtzentren.
Gemeinsame Anstrengungen als Lösungsweg
Angesichts dieser Herausforderungen fordert der HDE entschlossenes Handeln. Genth betont die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure – von Handel über Kommunen bis hin zu Gastronomie und Kultur. „Nur wenn alle an einem Strang ziehen, kann vielerorts die Verödung ganzer Innenstädte verhindert werden.“ Der Handel allein könne diese Herausforderung nicht meistern.
Der HDE ist Teil eines Beirats für Innenstadtentwicklung, der die Bedeutung dieser Angelegenheit auf höchster politischer Ebene unterstreicht. Doch die Vielzahl der Zuständigkeiten auf verschiedenen Regierungsebenen erschwert einheitliche und effektive Maßnahmen. Eine zentrale Koordinierungsstelle für Förderprogramme und die Umsetzung von Maßnahmen könnte hier Abhilfe schaffen und eine zielgerichtete Unterstützung der Innenstädte ermöglichen.
Ausblick und Handlungsappelle
Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Durch koordinierte Anstrengungen und eine Neuausrichtung der Förderpolitik lässt sich der Trend noch umkehren. Der HDE ruft zu einem Umdenken auf, bei dem die Belebung der Innenstädte im Mittelpunkt steht. Dies umfasst nicht nur die Unterstützung des bestehenden Einzelhandels, sondern auch die Förderung neuer Konzepte und die Schaffung einer attraktiven, multifunktionalen Stadtmitte, die Menschen nicht nur zum Einkaufen einlädt, sondern auch zum Verweilen und Genießen.
Die drohende Verödung der Innenstädte ist ein Weckruf für alle Beteiligten. Es ist an der Zeit, gemeinsam für lebendige, attraktive und zukunftsfähige Stadtzentren zu sorgen, in denen der Einzelhandel eine tragende Rolle spielt, aber nicht die einzige. Die Zukunft unserer Innenstädte hängt von den Entscheidungen ab, die wir heute treffen.