Die Erben der Tories: Die Wirtschaft kämpft ums Überleben
Nach 14 Jahren an der Macht stehen die Tories vor einer historischen Niederlage. Labour-Chef Keir Starmer bereitet sich darauf vor, die Downing Street zu übernehmen. Die Herausforderungen, die ihn erwarten, sind zahlreich und enorm. Die britische Wirtschaft wächst seit der Finanzkrise 2008/2009 nur schleppend. Obwohl das Wachstum seit 2010 stärker als in Deutschland, Frankreich oder Italien war, bleibt der Vorsprung gering. Der Lebensstandard wird voraussichtlich während der kommenden Legislaturperiode erstmals seit den 1950er-Jahren sinken. Rishi Sunak, der amtierende Premierminister, argumentiert, dass sich die Wirtschaft nach der Corona-Krise und dem Anstieg der Energiepreise erholt. Keir Starmer hingegen kündigt an, unter Labour werde Großbritannien das stärkste nachhaltige Wachstum unter den G7-Staaten erzielen. „Auch wenn die Arbeitslosigkeit niedrig ist, hat die hohe Inflation die Wähler schwer belastet“, sagt Commerzbank-Analyst Christoph Balz.
Gesundheitswesen in der Krise
Das Gesundheitswesen steht unter immensem Druck. Immer mehr Menschen müssen lange auf eine nicht dringende Behandlung warten. Ende 2023 waren es allein in England fast acht Millionen, fast doppelt so viele wie vier Jahre zuvor. Die Gesundheitsbehörde NHS hat Schwierigkeiten, ihr Ziel zu erreichen, innerhalb von 18 Wochen mit der Behandlung fast aller nicht dringenden Patienten zu beginnen. Notfallpatienten können oft nicht sofort behandelt werden. Seit 2010 wachsen die inflationsbereinigten Gesundheitsausgaben langsamer als im Durchschnitt seit den 1950er-Jahren, obwohl die Bevölkerung wächst und altert.
Einwanderung und Wohnungsbau
Mehrere konservative Regierungen haben ihre Ziele verfehlt, die Einwanderung zu senken. Trotz des Brexits und der Abschaffung der Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus der EU ist die Zahl der Menschen, die aus anderen Ländern, vor allem Indien und Nigeria, kommen, stark gestiegen. Die Nettomigration ging von einem Rekordwert im Jahr 2022 von 764.000 auf 685.000 im letzten Jahr zurück, bleibt aber fast viermal so hoch wie 2019.
Im Bereich Wohnungsbau hat die konservative Regierung ebenfalls ihre Ziele nicht erreicht. In den zwölf Monaten bis Ende März 2023 wurden in England etwas mehr als 234.000 Wohnungen gebaut, weit unter dem angestrebten Niveau von 300.000. Der britische Wohnungsmarkt bietet nach Erkenntnissen der Denkfabrik Resolution Foundation das schlechteste Preis-Leistungs-Verhältnis aller vergleichbaren Volkswirtschaften.
Produktivität und Investitionen
Das Wirtschaftswachstum zu beschleunigen ist eine der wichtigsten Herausforderungen für die nächste Regierung. Dafür muss sich die schwache Produktivität verbessern. London und Südostengland sind die einzigen Regionen in Großbritannien, in denen der Ausstoß pro Stunde über dem nationalen Durchschnitt liegt. Nötig wären auch mehr Investitionen des Privatsektors. Seit dem Brexit-Referendum 2016 sind Unternehmen jedoch bei Investitionen zurückhaltend, was jahrelange Instabilität ausgelöst hat.
Eine Mammutaufgabe für die neue Regierung
Keir Starmer steht vor einer Mammutaufgabe, sollte er die Macht übernehmen. Die britische Wirtschaft muss stabilisiert, das Gesundheitswesen reformiert und die Einwanderung sowie der Wohnungsbau in geordnete Bahnen gelenkt werden. Es bleibt abzuwarten, ob Labour die Versprechungen einhalten kann und Großbritannien aus der Krise führen wird. Die Herausforderungen sind enorm, doch die Hoffnung auf Veränderung und Verbesserung bleibt groß.