Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, bekannt als die Wirtschaftsweisen, hat sein aktuelles Jahresgutachten präsentiert. Die wirtschaftlichen Aussichten für Deutschland sind düster: Für 2024 wird ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,1 Prozent prognostiziert, während 2025 lediglich ein geringes Wachstum von 0,4 Prozent erwartet wird. Im Frühjahr war der Rat noch von einem leichten Plus ausgegangen, doch die aktuellen Schätzungen wurden deutlich nach unten korrigiert.
Infrastrukturprobleme bremsen Fortschritt
Ein zentrales Problem, das die Wirtschaftsweisen hervorheben, ist der schlechte Zustand der Infrastruktur. Fast die Hälfte der Brücken auf den Bundesfernstraßen ist in einem Zustand, der als ausreichend oder schlechter eingestuft wird. Besonders alarmierend: 72 Prozent dieser Brücken wurden vor 1985 gebaut und sind damit nicht auf die heutigen Verkehrsanforderungen ausgelegt. „Schnell ändern lässt sich daran nichts“, mahnt der Bericht. Hauptgrund sind die langwierigen Planungs-, Genehmigungs- und Gerichtsverfahren, die etwa 85 Prozent der Gesamtdauer eines Projekts ausmachen, während der eigentliche Bau lediglich 15 Prozent beansprucht.
Bürokratie als Hemmschuh
Die Wirtschaftsweisen zeigen auf, dass bürokratische Hürden zahlreiche Projekte verzögern oder sogar verhindern. Ein Beispiel ist die sogenannte „Parlamentsschleife“: Ab einem Beschaffungsvolumen von 25 Millionen Euro benötigt das Verteidigungsministerium die Zustimmung des Haushaltsausschusses. Diese Schwelle besteht seit 1981 und wurde trotz einer Inflation von über 130 Prozent seither nicht angepasst. Auch andere Programme, wie der Breitbandausbau, zeigen ähnliche Verzögerungen. Von den 2015 eingeplanten zwölf Milliarden Euro wurden bis Ende 2020 nur eine Milliarde Euro abgerufen.
Digitale Defizite
Auch im Bereich Digitalisierung bleibt Deutschland hinter seinen Möglichkeiten zurück. Obwohl 2017 das Onlinezugangsgesetz eingeführt wurde, um Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 zu digitalisieren, erfüllen bis Oktober 2024 nur 16,8 Prozent der etwa 6900 Leistungen die Vorgaben. Dies zeigt, dass trotz gesetzlicher Initiativen der Fortschritt schleppend bleibt und erheblich mehr Anstrengungen notwendig sind.
Niedrige Investitionen
Die Wirtschaftsweisen kritisieren zudem die unzureichenden staatlichen Investitionen. Deutschland liegt bei den „zukunftsorientierten Ausgaben“, die unter anderem Bildung, Forschung und Infrastruktur umfassen, weiterhin unter dem EU-Durchschnitt. Dies ist ein klares Signal dafür, dass strukturelle Reformen dringend erforderlich sind, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes langfristig zu sichern.
Reformen dringend notwendig
Das Gutachten des Sachverständigenrats verdeutlicht, dass Deutschlands Herausforderungen tiefgreifend sind und nicht allein mit finanziellen Mitteln bewältigt werden können. Um die stagnierende Wirtschaft anzukurbeln und das Land zukunftssicher zu machen, bedarf es umfassender Reformen. Die neue Bundesregierung steht vor der Aufgabe, die strukturellen Hemmnisse zu überwinden und den Weg für nachhaltige Entwicklungen zu ebnen.