Das Bundeskanzleramt stellt klar, dass Berichte, laut denen Olaf Scholz (SPD) gegen die Ausfuhr von Marschflugkörpern sei, nicht zutreffen. Dennoch steht fest, dass es vorerst keine Zustimmung zur Auslieferung gibt, was innerhalb der Ampelkoalition für Unruhe sorgt.
Während einer Bundestagssitzungswoche äußerte sich Bundeskanzler Scholz früh am Tag vor dem Auswärtigen Ausschuss. Nach verschiedenen Berichten thematisierte er, dass einige Verbündete „Handlungen vornehmen dürfen, die uns verwehrt bleiben“. Dabei sprach er über die deutschen Marschflugkörper Taurus im Vergleich zu den „Storm-Shadow“-Modellen aus Frankreich und Großbritannien.
Seine grünen und liberalen Koalitionspartner interpretieren seine Worte als vorläufige Entscheidung gegen eine Lieferung an die Ukraine. Im Gegensatz dazu versorgen Paris und London ihre Waffen mit eigenen Geodaten. Großbritannien beteiligt sogar eigenes Militärpersonal an der Programmierung direkt vor Ort. Scholz schließt einen Einsatz der Bundeswehr in der Ukraine aus, da er das Risiko einer direkten kriegerischen Beteiligung Deutschlands sieht.
Noch keine endgültige Entscheidung
Am Donnerstag gab das Kanzleramt bekannt, dass es keine Neuigkeiten bezüglich dieser Thematik gibt, obwohl Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im September eine Entscheidung in der nahen Zukunft versprach.
Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, betonte im Gespräch mit dem Tagesspiegel: „Scholz‘ Aussagen legen nicht zwingend eine ablehnende Entscheidung nahe. Auch die USA ziehen eine mögliche Lieferung lediglich in Betracht.“
Insider geben jedoch zu verstehen, dass eine kurzfristige Lieferfreigabe unwahrscheinlich ist. Das Kanzleramt behält sich diese Möglichkeit abhängig von der Kriegslage vor, jedoch ist der Taurus momentan für Scholz nicht prioritär.
Die ukrainische Regierung fordert indes weiterführende Unterstützung in der Luftverteidigung. Bei einem Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj signalisierte Scholz die Zusage eines weiteren Patriot-Raketenabwehrsystems, welches momentan noch kurz in Polen positioniert ist.
Trotzdem gibt es markante Kritik aus den eigenen Reihen. Dies betrifft sowohl die anhaltende Nichtlieferung als auch die Begründung, dass für den Taurus spezielle Kräfte erforderlich seien. „Deutsche sind für die Zielbestimmung nicht notwendig. Das ist ein Trugschluss“, so der FDP-Verteidigungsfachmann Alexander Müller.
„Das kontinuierliche Zögern mit fraglichen Argumenten kostet letztlich Leben“, kommentierte die FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
„Ein Signal, das Putin bestärken könnte“
Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses, äußerte seine Sorgen im Tagesspiegel: „Meine Befürchtung ist, dass der Bundeskanzler Moskau irreführend kommuniziert. Dieses Zögern könnte Putin in seiner aggressiven Haltung bestärken.“
In Hinblick auf die Sorge, die Waffen könnten in Russland zum Einsatz kommen, meinte der Grünen-Parlamentarier Sebastian Schäfer: „Ukrainische Regierungsvertreter versicherten mir, dass dieses Waffensystem ausschließlich in der Ukraine eingesetzt wird. Es gibt keinen Anlass, an dieser Zusicherung zu zweifeln.“
Er plädierte ebenfalls dafür, dass der Kanzler klar Stellung bezieht, warum er der Ukraine diese bedeutende Unterstützung verwehrt.