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Die Diskrepanz der Verlustzahlen im Ukraine-Konflikt

Seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine vor zwei Jahren stehen Zahlen im Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit, insbesondere die der militärischen und zivilen Verluste. Die von offizieller ukrainischer Seite genannten Zahlen, insbesondere die des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, sind jedoch umstritten. Experten und internationale Beobachter zweifeln an ihrer Genauigkeit und vermuten, dass die tatsächlichen Zahlen deutlich höher liegen könnten.

Die offizielle Zahl und internationale Schätzungen

Präsident Wolodymyr Selenskyj bezifferte die Zahl der gefallenen ukrainischen Soldaten kürzlich auf 31.000. Diese Angabe erscheint vielen Beobachtern und Experten als zu niedrig. Markus Reisner, ein renommierter Militärexperte, äußerte gegenüber ntv.de, dass diese Zahl „auf jeden Fall zu niedrig“ sei. Die Diskrepanz zwischen der offiziellen ukrainischen Zahl und Schätzungen aus den USA ist erheblich. Amerikanische Quellen gehen von insgesamt 200.000 ukrainischen Militärverlusten aus, wobei zwischen 70.000 und 90.000 Soldaten getötet und der Rest verwundet wurden. Darüber hinaus wird die Zahl der zivilen Opfer auf 50.000 bis 100.000 geschätzt. Im Vergleich dazu schätzt man auf russischer Seite die Zahl der verwundeten oder getöteten Streitkräfte auf insgesamt 300.000.

Verhältnis von Todesfällen zu Verwundungen

Reisner weist darauf hin, dass man die Gesamtzahl der Verluste üblicherweise in Drittel aufteilt: etwa ein Drittel Tote und zwei Drittel Verwundete, teils schwer. Diese Aufteilung erklärt, wie die USA auf ihre Zahl von 70.000 gefallenen Soldaten kommen, welche mehr als doppelt so hoch ist wie die von Selenskyj genannte. Der Versuch des ukrainischen Präsidenten, die Zahl niedrig zu halten, wird als Bemühung interpretiert, Zuversicht zu vermitteln.

Die geplante Mobilmachung als Indikator

Ein weiterer Hinweis auf die Schwere der Verluste ist die von dem ehemaligen ukrainischen Armeechef Walerij Saluschnyj vorgeschlagene Mobilmachung von etwa 500.000 Ukrainern. Dieser Vorschlag deutet darauf hin, dass die Verluste erheblich sein könnten. Die Genauigkeit der von Mark Milley, dem Generalstabschef der USA, in der Vergangenheit gemachten Angaben stärkt das Vertrauen in die amerikanischen Schätzungen.

Selenskyjs Ablehnung der US-Angaben

Trotz der vorliegenden Schätzungen und Analysen weist Präsident Selenskyj die amerikanischen Zahlen als „Unsinn“ zurück. Auf einer Pressekonferenz lehnte er es ab, nähere Angaben zu den verwundeten Soldaten zu machen. Dies markiert das erste Mal seit Beginn der russischen Invasion, dass eine der Kriegsparteien Zahlen zu den eigenen militärischen Verlusten veröffentlicht hat.

Die Kontroverse um die Zahl der im Ukraine-Krieg gefallenen oder verwundeten Soldaten zeigt die Schwierigkeit, inmitten eines andauernden Konflikts genaue Daten zu erheben. Während offizielle Zahlen oft zu politischen Zwecken verwendet werden, versuchen unabhängige Beobachter und Experten, ein realistischeres Bild der Lage zu zeichnen. Die Diskrepanz zwischen den Angaben Selenskyjs und denen aus den USA unterstreicht die Komplexität und Tragweite des Konflikts, in dem die Wahrheit oft das erste Opfer ist.