Sahra Wagenknecht, ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken, bleibt eine ihrer herausragendsten politischen Persönlichkeiten. Seit geraumer Zeit spielt sie mit dem Gedanken, eine eigene Partei ins Leben zu rufen. Aktuelle Interviews weisen darauf hin, dass sie diesen Plan bald in die Tat umsetzen könnte und sie beschreibt die Hauptanliegen einer Wagenknecht-Partei.
Offiziell bleibt Sahra Wagenknecht, die weiterhin als Mitglied der Linken gilt, ihrer bisherigen Rhetorik treu: Die Entscheidung, ob sie die Linkspartei, der sie bis 2019 als Fraktionsvorsitzende diente und deren prominenteste Vertreterin sie nach wie vor ist, verlassen wird, soll „bis spätestens Jahresende“ fallen. Jedoch legen kürzlich geführte Interviews nahe, dass die Entscheidung wohl schon feststeht: „Entschieden“, titelte die „Bild“ Zeitung: „Wagenknecht initiiert ihre eigene Partei.“
Die Zeitung stützt sich auf nahestehende Quellen, die berichten, dass die Parteigründung nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen erfolgen soll. Wagenknecht nannte dies am Sonntag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur „die Sichtweise der ‚Bild‘-Zeitung“ und betonte, dass eine finale Entscheidung noch aussteht. Auch Personen aus ihrem engeren Kreis informierten die dpa, dass es keine aktuellen Neuigkeiten gibt.
Auf Nachfrage der „Bild am Sonntag“ zu den Schwerpunkten ihrer zukünftigen Partei gab Wagenknecht genaue Auskünfte: Kernthemen wären eine neu ausgerichtete Wirtschaftspolitik, die mithilfe verstärkter staatlicher Kontrolle Arbeitsplätze in Deutschland sichern möchte; gesteigerte soziale Gerechtigkeit durch bessere Löhne und mehr Unterstützung für die Armen, „staatlich festgelegte Höchstpreise“ und eine intensivere Besteuerung großer Unternehmen sowie „eine Außenpolitik, die erneut Diplomatie bevorzugt anstelle von Waffenexporten“.
Darüber hinaus möchte die Wagenknecht-Partei einen offenen Meinungsaustausch fördern: „Personen werden marginalisiert, sobald sie sich vom Mainstream abwenden“, äußerte die Politikerin. „Wer die Einwanderung regeln und limitieren möchte, wird als Nazi gebrandmarkt.“ Bürger würden „moralisch verurteilt“. Sie sieht darin einen Grund für die Erfolge der AfD. Ihrer Meinung nach hat sich die Linkspartei von den Bedürfnissen der Geringverdiener und der breiten Bevölkerung entfernt.
In einem Gespräch mit dem „Tagesspiegel“ deutete Wagenknecht am Sonntag an, dass die Gründung einer neuen Partei bevorsteht. Obwohl dies eine erhebliche Anstrengung erfordert, sagte sie: „Ich erkenne eine Lücke im politischen System. Viele fühlen sich von keiner Partei vertreten und wählen aus Verzweiflung die AfD. Es wäre wünschenswert, wenn diese Bürger wieder eine verlässliche politische Heimat fänden.“
Auf die Frage, ob sie sich die anspruchsvolle Aufgabe einer Parteivorsitzenden zutraue, insbesondere nachdem sie den Fraktionsvorsitz vor vier Jahren aufgrund eines Burn-outs niederlegte, gab Wagenknecht eine klare Antwort. „Ich bin ziemlich widerstandsfähig“, betonte die 54-Jährige. „Programme entwickeln, eine Partei repräsentieren und für unsere Überzeugungen eintreten – das liegt mir.“
Aktuelle Umfrageergebnisse könnten ihr Auftrieb geben: Im Insa-Politikerranking belegt Wagenknecht momentan den dritten Platz, hinter Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). Im Juli berichtete das Institut, dass eine Wagenknecht-Partei in Thüringen mit einer Zustimmung von 25 Prozent vor der AfD die stärkste Partei wäre.
Allerdings betont Wagenknecht, dass die traditionellen Partei-Aufgaben zu viel für sie wären: „Strukturen etablieren, Organisation und 16 Landesverbände – das kann ich nicht stemmen.“ Doch sie hat Freunde innerhalb der Linken, die ihr bei diesem Unterfangen beistehen würden.