In Deutschland entsteht ein komplexes Netzwerk aus staatlichen und privaten Akteuren, das sich der Bekämpfung von Hass und Hetze im Netz verschrieben hat. Während diese Entwicklung von einigen als notwendige Anpassung an die digitale Realität gefeiert wird, sehen andere darin den Aufbau eines Schatten-Verfassungsschutzes, der die Grenzen zwischen öffentlicher Sicherheit und privater Überwachung verwischt.
Die Auslagerung staatlicher Aufgaben
Unter der Führung von Innenministerin Nancy Faeser nimmt die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität neue Formen an. Neben staatlichen Maßnahmen wie der Überwachung von Kontobewegungen und der Verhängung von Ausreisesperren wird zunehmend auf die Unterstützung durch die Zivilgesellschaft gesetzt. Lisa Paus treibt parallel das Demokratiefördergesetz voran, mit dem Ziel, den Kampf gegen rechts in die Hände privater Organisationen zu legen. Diese Hybrid-Strategie verlagert die Verantwortung zunehmend von staatlichen Institutionen zu privaten Meldestellen und schafft damit eine Grauzone, die kritisch hinterfragt werden muss.
Private Meldestellen als neue Akteure
Ein Beispiel für diese Entwicklung ist die private Meldestelle „REspect!“,die in Kooperation mit dem Bundeskriminalamt (BKA) tätig ist. Seit Februar 2022 müssen soziale Netzwerke, die in Deutschland mehr als zwei Millionen Nutzer aufweisen, Inhalte, die als rechtswidrig bewertet werden, an das BKA übermitteln. „REspect!“ und ähnliche Portale spielen dabei eine Schlüsselrolle, indem sie als Schnittstelle zwischen der Öffentlichkeit und den staatlichen Behörden fungieren. Die von diesen Stellen gesammelten Informationen können jedoch eine einseitige Perspektive widerspiegeln und entziehen sich der direkten staatlichen Kontrolle.
Das Dilemma der Definitionsfrage
Ein Kernproblem dieser privaten Meldestellen liegt in der fehlenden Transparenz bezüglich ihrer Definitionen von Hass und Hetze. Ohne klare Richtlinien, was unter solchen Begriffen zu verstehen ist, besteht die Gefahr willkürlicher oder politisch motivierter Entscheidungen. Die Zusammenarbeit zwischen Generalstaatsanwaltschaften und zivilen Meldestellen wie „REspect!“ stellt daher die Zuverlässigkeit und Unvoreingenommenheit der gesammelten Informationen in Frage.
Zivilgesellschaft als Informationsquelle für den Verfassungsschutz
Auch der Verfassungsschutz bedient sich Informationen aus der Zivilgesellschaft, was die Grenzen zwischen staatlicher Überwachung und zivilem Engagement weiter verwischt. Die Nutzung von Beiträgen linksextremer Sender oder staatlich geförderter Stiftungen als Belege in Verfassungsschutzberichten deutet auf eine problematische Vermengung von politischer Agenda und objektiver Sicherheitsarbeit hin.
Kritik am semi-privaten Ermittlungsansatz
Die Auslagerung von Teilen der Strafverfolgung an private Organisationen birgt Risiken. Diese „Schattenstrukturen“ entziehen sich einer direkten demokratischen Kontrolle und schaffen rechtsfreie Räume, in denen Betroffene nur schwerlich Gegenwehr leisten können. Die Finanzierung durch staatliche Mittel und die enge Zusammenarbeit mit Behörden wie dem BKA und Staatsanwaltschaften verschärfen das Problem einer fehlenden Trennschärfe zwischen staatlichem Auftrag und privater Ausführung.
Ein Balanceakt mit Risiken
Die Bekämpfung von Hass und Hetze im Netz ist zweifellos eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Doch der Weg, den Deutschland dabei einschlägt, erfordert eine kritische Auseinandersetzung mit den Risiken und Nebenwirkungen. Die Verschmelzung von staatlichen und privaten Strukturen in diesem Kampf darf nicht zu Lasten rechtsstaatlicher Prinzipien gehen. Eine klare Definition von Begrifflichkeiten, transparente Verfahren und eine strenge Kontrolle der neuen Akteure sind essenziell, um die Integrität des Rechtsstaates zu wahren und gleichzeitig effektiv gegen digitale Hasskriminalität vorzugehen.