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Drohung aus Frankreich: Deutschland ohne Strom?

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Eine provokante Ankündigung

In den letzten Wochen sorgte eine Ankündigung aus Frankreich für erhebliche Unruhe: Die rechtsextreme Partei Rassemblement National (RN) plant, sich aus dem europäischen Strommarkt zurückzuziehen und keine Stromlieferungen mehr an Länder wie Deutschland zu leisten. Diese Drohung hat das Potenzial, erhebliche wirtschaftliche und politische Spannungen innerhalb der Europäischen Union zu verursachen.

Ursprung der Drohung

Die Aussagen stammen von Jordan Bardella, dem Spitzenkandidaten der RN, und wurden bereits am 13. Juni gemacht. Sie erregten jedoch erst jetzt großes Aufsehen. In einem Interview mit dem TV-Sender BFMTV kritisierte Bardella die Koppelung des französischen Strompreises an den Gaspreis, eine Maßnahme, die auf Drängen Deutschlands und der Europäischen Kommission erfolgte. Bardella bezeichnete dies als „echten Wettbewerbsnachteil“ für Frankreich und kündigte an, die Rückkehr zu einem eigenständigen französischen Strompreis zu verhandeln, um den Wettbewerbsvorteil der günstigen Atomenergie zu nutzen.

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Realitätscheck: Technische und politische Hürden

Ein Abkoppeln des französischen Strommarkts von Europa ist jedoch nahezu unmöglich. Politisch würde die EU-Kommission kaum eine Genehmigung erteilen, da dies den europäischen Binnenmarkt erheblich stören würde. Eine rechtsextreme Regierung müsste sich komplett aus der EU verabschieden, was angesichts der politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen sehr unwahrscheinlich ist. Zudem wäre der technische Aufwand enorm: Frankreich müsste alle seine Verbindungen ins Ausland kappen und sich vollständig zur Strominsel machen.

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Der europäische Strommarkt: Funktion und Bedeutung

Der europäische Strommarkt basiert auf einem Netzwerk von grenzüberschreitenden Leitungen, sogenannten Konnektoren. Diese verbinden die nationalen Stromnetze der EU-Länder. An der europäischen Strombörse Epex, die ihren Sitz in Paris hat, sind die nationalen Märkte gekoppelt. Frankreich ist einer der größten Nettoexporteure von Strom in Europa, da die französische Atomkraft sehr kostengünstig ist. Deutschland, das aufgrund seiner Energiewende und des Atomausstiegs ein großes Nord-Süd-Gefälle in der Stromproduktion hat, gehört zu den größten Abnehmern.

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Konsequenzen für Frankreich

Sollte Frankreich sich vom europäischen Strommarkt abkoppeln, würde das Land erhebliche Export-Einnahmen verlieren. Frankreich verkauft jährlich zwei- bis dreimal so viel Strom ins Ausland, wie es von dort einkauft. Ein Ausstieg würde nicht nur den europäischen Markt destabilisieren, sondern auch die französische Wirtschaft schädigen. Zudem ist Frankreich in kalten Wintern auf Importe angewiesen, da der eigene Strombedarf aufgrund der verbreiteten elektrischen Heizungen stark ansteigt.

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Expertenmeinungen

Deutsche und französische Experten halten die Drohung der RN für unrealistisch und lächerlich. Lionel Hirth, Energieökonom an der Hertie School Berlin, kommentierte auf X (ehemals Twitter): „Haha, musste gerade laut lachen. Bin gespannt, wann da jemand auf den Trichter kommt, dass Frankreich (wie die meisten Länder) bei Spitzenverbrauch regelmäßig auf Stromimporte angewiesen ist.“ Stefan Bach, ebenfalls Ökonom, fügte hinzu: „Das ist ja wohl der Gipfel der Lächerlichkeit angesichts der maroden französischen Atomkraftwerke, die 2022/23 massenhaft ausfielen.“

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Auch in der französischen Energiebranche gibt es wenig Unterstützung für diese Idee. Catherine MacGregor, CEO des Energiekonzerns Engie, warnte vor „Risiken von Stromausfällen“ und höheren Preisen. Émeric de Vigan, Vizepräsident der Energieberatungsfirma Kpler, nannte die Idee „unrealistisch“ und vermutete, dass die RN damit nur Punkte bei potenziellen Wählern sammeln wolle.

Die Drohung der RN, Deutschland den Strom abzudrehen, ist politisch und technisch kaum durchführbar und würde letztlich mehr Schaden für Frankreich als für Deutschland verursachen. Die gegenseitige Abhängigkeit der europäischen Länder im Energiesektor ist zu groß, um solch drastische Maßnahmen zu ergreifen. Während die rechtsextreme Partei versucht, mit populistischen Forderungen Wähler zu mobilisieren, bleibt die Realität der europäischen Energiepolitik komplex und stark vernetzt.