Das Attentat in Magdeburg sorgt für Entsetzen: Ein mutmaßlich psychisch erkrankter Täter, der selbst als Psychiater tätig war, hat eine grausame Tat begangen. Kriminalpsychologe Reinhard Haller ordnet die Ereignisse ein und beleuchtet die psychologischen Hintergründe.
Der Täter: Widersprüche und Motiv
„Der Täter wollte der Gesellschaft maximalen Schmerz bereiten“, erklärte Reinhard Haller. Die Wahl des Tatorts und der Zeitpunkt deuten darauf hin, dass er die Bevölkerung gezielt in einem besonders emotionalen Moment treffen wollte. Dabei sind die Motive widersprüchlich: Trotz eigener Migrationsbiografie entwickelte er Hass auf die islamische Kultur und radikalisierte sich zunehmend.
Haller vermutet zwei mögliche psychische Störungen: eine paranoide Persönlichkeitsstörung mit fanatischen Zügen oder eine schwere Wahnerkrankung. „Der Wahn entzieht sich jeder logischen Interpretation“, so Haller. Dies könnte erklären, warum der Täter einerseits geordnet handelte und andererseits extreme Gewalt ausübte.
Psychiater als Täter: Ein seltenes Phänomen
Besonders ungewöhnlich ist, dass der Täter selbst als Psychiater tätig war. „Einen Psychiater als Terroristen habe ich noch nie erlebt“, sagte Haller. Diese Tatsache erschwert die Einordnung: Einerseits könnte er seine psychischen Probleme verborgen haben, andererseits stellt sich die Frage, warum Kollegen und Vorgesetzte seine radikalen Tendenzen nicht erkannt haben.
Isolation und Radikalisierung
Der Täter handelte als Einzeltäter und lebte vermutlich isoliert. Laut Haller birgt dies besondere Gefahren: „Einzeltäter radikalisieren sich oft, weil sie nicht geerdet werden und ihre extremen Ideen immer weiter steigern.“ In einigen Fällen entwickeln sie einen sogenannten Retterwahn, der sie glauben lässt, die Gesellschaft durch Gewalt wachrütteln zu müssen.
Vergleich mit Breivik und anderen Fällen
Haller zieht Parallelen zum norwegischen Attentäter Anders Behring Breivik, der 2011 77 Menschen tötete. Beide Täter handelten mit hoher Logistik und Detailplanung, was bei Wahnerkrankten häufig der Fall ist. Ein weiterer Vergleich ist der deutsche Fall des Lehrers Wagner, der 1914 unter einer Wahnerkrankung 13 Menschen tötete.
Die Folgen für die Gesellschaft
Für die Angehörigen der Opfer und die Gesellschaft hinterlässt die Tat tiefe Spuren. „Es wird immer eine schmerzhafte Narbe bleiben“, sagte Haller. Er betonte, dass Mitgefühl und Unterstützung entscheidend seien, um den Betroffenen das Gefühl zu nehmen, allein zu sein.
Das Attentat von Magdeburg zeigt die gefährliche Kombination aus psychischen Störungen und gesellschaftlicher Isolation. Es bleibt eine Herausforderung, solche Taten frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.