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Türkei plant Rolle als wichtiger Gaslieferant für Europa

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Die Türkei strebt an, in Zukunft eine zentrale Rolle als Gaslieferant für Europa einzunehmen. Mit umfangreichen Verträgen für Flüssigerdgas (LNG) mit Unternehmen wie Total, Shell und Exxon möchte das Land nicht mehr nur Importeur sein, sondern auch Gas in großem Stil exportieren. Dies könnte nicht nur die Versorgungssicherheit in Europa verbessern, sondern langfristig auch zu günstigeren Energiepreisen führen.

Strategische Wende durch LNG-Verträge

Um ihre Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren, hat die staatliche türkische Gasgesellschaft Botas mehrere langfristige LNG-Lieferverträge abgeschlossen. So wurde am Mittwoch ein Abkommen mit dem französischen Konzern Total über die Lieferung von 1,2 Millionen Tonnen LNG pro Jahr unterzeichnet. Die Laufzeit des Vertrags beträgt zehn Jahre, und die Lieferungen sollen ab 2027 sowohl über US-Häfen als auch über Terminals in der Türkei und Europa abgewickelt werden. „Wir können jetzt eine neue Gasversorgung für Länder in Südosteuropa sicherstellen, die zusätzlichen Bedarf haben“, betonte Energieminister Alparslan Bayraktar.

Bereits Anfang September hatte Botas einen ähnlichen Vertrag mit Shell über 2,9 Millionen Tonnen LNG jährlich geschlossen. Mit Exxon laufen derzeit Verhandlungen über die Lieferung von bis zu 2,5 Millionen Tonnen LNG pro Jahr. Diese Vereinbarungen markieren eine bedeutende Umstellung der türkischen Energiepolitik: Das Land will nicht mehr nur für den eigenen Bedarf Gas importieren, sondern sich auch als Exporteur etablieren.

Abkehr von Russland: Neue Perspektiven für die Energieversorgung

Bisher hat die Türkei den Großteil ihres Gasbedarfs durch Importe aus Russland, dem Iran und Aserbaidschan gedeckt. Allein aus Russland kamen im vergangenen Jahr über 40 Prozent des gesamten Gasverbrauchs. Mit den neuen LNG-Verträgen will Ankara die Abhängigkeit von Moskau verringern und sich auf Verhandlungen mit Russland und dem Iran vorbereiten, wenn die bestehenden Gasverträge in den Jahren 2025 und 2026 auslaufen. „Wir arbeiten daran, unsere Abhängigkeit zu verringern und eine vielfältigere Energieversorgung aufzubauen“, erklärte Bayraktar.

Ausbau der LNG-Infrastruktur und Eigenproduktion

Um den künftigen Gasexport zu ermöglichen, investiert die Türkei stark in ihre Infrastruktur für Flüssigerdgas. Der Anteil von LNG an den Gasimporten des Landes ist bereits auf 30 Prozent gestiegen, verglichen mit nur 15 Prozent vor einem Jahrzehnt. Zudem fördert die Türkei ihre eigenen Gasvorkommen im Schwarzen Meer weiter. Das dort im Jahr 2020 entdeckte Vorkommen gilt als das größte in der türkischen Geschichte und soll mittelfristig ebenfalls zur Versorgung Europas beitragen.

Auswirkungen auf den europäischen Energiemarkt

Die Pläne der Türkei kommen zu einem kritischen Zeitpunkt: Die Europäische Union strebt an, bis 2027 vollständig auf Gasimporte aus Russland zu verzichten. Dies würde sich zeitlich mit dem Beginn der LNG-Lieferungen aus der Türkei decken. Länder wie Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Moldawien haben bereits Interesse an Gaslieferungen aus der Türkei gezeigt. Bayraktar betonte, dass die Türkei bereit sei, den europäischen Ländern in dieser Umstellungsphase zur Seite zu stehen.

Vom Transitland zum Gaslieferanten

Bislang hat die Türkei hauptsächlich als Transitland für Gaslieferungen aus Aserbaidschan nach Europa fungiert. Doch mit den neuen LNG-Verträgen und dem Ausbau der eigenen Gasförderung könnte sich das Land in wenigen Jahren selbst zu einem bedeutenden Gaslieferanten entwickeln. „Wir werden unsere Rolle in der Region stärken und die Energieversorgung Europas diversifizieren“, sagte Bayraktar.

Eine vielversprechende Entwicklung

Durch die neuen LNG-Verträge und den Ausbau der Gasinfrastruktur hat die Türkei die Weichen gestellt, um zu einem wichtigen Akteur auf dem europäischen Gasmarkt zu werden. Sollte es gelingen, die geplanten Projekte erfolgreich umzusetzen, könnten nicht nur die Gasversorgungssicherheit in Europa erhöht, sondern auch langfristig die Gaspreise gesenkt werden. Die Türkei hat das Potenzial, in den kommenden Jahren von einem reinen Importeur zu einem bedeutenden Lieferanten aufzusteigen.