Obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinssätze mehrfach erhöht hat, hat sich die Inflation im Eurogebiet unerwartet nicht weiter verlangsamt. Die Entwicklung in den verschiedenen Mitgliedsstaaten zeigt dabei deutliche Unterschiede.
Die Verbraucherpreise in den Ländern des Euro-Raums erhöhten sich im August um 5,3 Prozent gegenüber demselben Monat des Vorjahres, wie Eurostat, das Statistikbüro, am Donnerstag in einer vorläufigen Schätzung bekannt gab. Experten, die von Reuters befragt wurden, hatten einen Rückgang auf 5,1 Prozent erwartet. Auch im Juli betrug die Preissteigerung 5,3 Prozent, im Vergleich zu 5,5 Prozent im Juni.
Die Kerninflation, bei der volatile Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak nicht berücksichtigt werden, fiel jedoch auf 5,3 Prozent von 5,5 Prozent im Vormonat. Viele Ökonomen glauben, dass die Kerninflation die grundsätzlichen Preisänderungen besser widerspiegelt als die Gesamtinflation. Dieser Indikator ist ein wichtiger Maßstab für die zugrundeliegenden Inflationstrends.
Energie nicht länger ein Haupttreiber der Preissteigerungen
Im August fielen die Energiepreise im Jahresvergleich um nur 3,3 Prozent. Im Juli betrug der Rückgang noch 6,1 Prozent.
Die Kosten für Lebensmittel, Alkohol und Tabak stiegen um 9,8 Prozent, verglichen mit einem Anstieg von 10,8 Prozent im Vormonat. Industrieprodukte ohne Energie wurden um 4,8 Prozent teurer. Im Juli lag die Steigerung bei 5,0 Prozent. Die Preise für Dienstleistungen erhöhten sich um 5,5 Prozent, im Vergleich zu 5,6 Prozent im Juli.
Keine konsistenten Trends erkennbar
In den Ländern der Eurozone gibt es keine klare Entwicklung. In Deutschland bleibt die Preisentwicklung stabil, mit nur einem leichten Rückgang der Inflation. Die Verbraucherpreise waren durchschnittlich 6,1 Prozent höher als im Vorjahr, so das Statistische Bundesamt in einer ersten Schätzung.
Die Situation ist jedoch in Österreich und Frankreich unterschiedlich. Dort beschleunigte sich die Inflation im August wieder. Die nach europäischem Standard berechneten Verbraucherpreise stiegen in Frankreich um 5,7 Prozent, so das französische Statistikbüro Insee. In Österreich stieg die harmonisierte Inflationsrate nach einer vorläufigen Schätzung von Statistik Austria auf 7,6 Prozent.
Vorbildliche Entwicklung in den Niederlanden
In den Niederlanden macht der Abbau der Inflation gute Fortschritte. Dort stiegen die Preise im August im Jahresvergleich nur um 3,0 Prozent, der langsamste Anstieg seit zwei Jahren, laut einer vorläufigen Schätzung des Statistikamtes. Im Juli betrug die Inflationsrate in den Niederlanden, der fünftgrößten Wirtschaft der Eurozone, 4,6 Prozent.
Die EZB bleibt aufmerksam
Für die Europäische Zentralbank ist die Inflationsentwicklung im Euro-Raum von entscheidender Bedeutung bei der Gestaltung ihrer Zinspolitik. Die EZB hat die Zinsen seit Sommer 2022 im Kampf gegen den starken Preisanstieg neunmal hintereinander angehoben. Der Einlagensatz, den die Banken erhalten, wenn sie überschüssiges Geld bei der Zentralbank parken, beträgt nun 3,75 Prozent. Im Juni 2022 lag dieser Satz noch bei minus 0,5 Prozent. Wie es mit der strafferen Geldpolitik weitergehen wird, ließ die EZB-Präsidentin Christine Lagarde zuletzt unklar. EZB-Direktorin Isabel Schnabel wies darauf hin, dass die EZB den Höhepunkt der Zinssätze nicht vorhersehen kann.